Unter diesem Titel hatten Ingo Pfeifer, Herbert Winkler, Uta Wöhe im Rheintelegraph, der Clubzeitung des Yachtclub Lörick e.V. Saison 2020 einen Bericht veröffentlicht, der hier in Auszügen zitiert werden soll. Der "Seehund" hat seit letztem Jahr einen neuen  Eigner und liegt z.Z. auf den Gelände des Düsseldorfer Segler-Vereins um dort restauriert zu werden. Dort war er schon vor 40 Jahren zu Gast um in Stand gesetzt zu werden.

 

100 Jahre ist ein stolzer Anlass für einen Blick auf die Geschichte dieses ehemaligen Rettungsbootes, das seit seit vielen Jahren im Paradieshafen beheimatet ist! Baujahr: 1921, Einsatz als Rettungs- und Versetzkutter auf einem Trandampfer Bauform: Slup, Eichenrumpf geklinkert, 1979 mit Kunststoff laminiert Länge ü.a. 9 m Breite 2,50 m Tiefgang 1,20m - 1,40 m


Nach einigen Jahren ausgedient, wurden die Rettungsboote in Bremerhaven zum Verkauf angeboten. Solche Rettungsboote waren offene zum Rudern ausgelegte Rümpfe. Diese wurden gerne gekauft, da sie meist gut erhalten und stabil waren und somit begehrte Ausbauobjekte für seetüchtige Segelyachten.


1956 kauften dann die wassersportbegeisterten jungen Männer, Wolfram Aurin und Hans Wingerath zwei dieser ausgemusterten Rümpfe. Inspiriert waren sie von einem bereits ausgebauten Boot, welches am Steg von Paula Gräf im Paradieshafen lag. Stolzer Besitzer war Walter Busch, dem im Neusser Hafen eine Lagerhalle mit großer Freifläche unterstand. Er stellte den Beiden eine Freifläche zur Verfügung und im Folgejahr
trafen dann die beiden Rümpfe per Waggon ein. Sofort begannen die Eigner mit dem Ausbau. Die "Seekuh" war etwas größer als der "Seehund" und bekam ein Ketchrigg. Der Seehund wurde als Slup geriggt.
Der damalige Abiturient Ingo Pfeifer hatte von dem Ausbau gehört und fuhr oft nach Neuss um die Fortschritte zu bestaunen, Ingo berichtet von seinen Erlebnissen:


Gelegentlich durfte ich beim Ausbau auch mit anfassen. Bald bekamen die Schiffe auch die tonnenschweren und eigens für sie gegossenen gusseisernen Kiele und in den "Seehund" wurde ein gebrauchter Ford-Benzin-Automotor eingebaut. Im Frühjahr bestand ich mein Abi und musste vor Studienbeginn ein Maurerpraktikum absolvieren. Ich arbeitete am Neubau der Schreinerei Morath, den mein Vater leitete und konnte dort hin und wieder Holz für den "Seehund" bekommen. Im Sommer sollten die Schiffe fertig werden und die erste Reise nach Zeeland antreten. Zwei Tage vor der Abreise erkrankte das 2. Crewmitglied des "Seehund" und die Reise schien zu platzen. Hans Wingerath bekniete mich, als Ersatzmann einzuspringen, was eigentlich unmöglich war. Mit viel Mühe ließen sich mein Vater und der Chef der Baufirma überzeugen, dass sich diese einmalige Chance eines Seetörns in meinem Leben nicht wiederholen würde. Ich durfte mit! Mit geliehenen Stiefeln und Regenjacke vom Bau ging es - nachdem wir Proviant und Wasser gebunkert hatten- los. Für mich war alles Neuland. Zwar hatte ich Segelerfahrung mit einer Jolle auf dem Rhein, wo ich mit einem Freund Reisen erst am Mittelrhein und dann bis in den Rheingau gemacht hatte und mich mit dem Schiffsverkehr auf dem Rhein bestens auskannte. Damals fuhren noch viele Schleppzüge mit bis zu sechs Anhängern hinter den riesigen Radschleppdampfern. Doch so ein Dickschiff mit großem Tiefgang war neu für mich. Die Reise ging gemeinsam bis ins belgische Zeebrügge und das in einer Zeit, als ganz Zeeland noch ein offenes Tidengewässer war. Die im Bau befindlichen Abdeichungen und Schleusen waren noch lange nicht fertig und die Tide lief bis Zaltbommel auf. In Zeebrügge erkrankte dann auch noch der Skipper der "Seekuh" so heftig, dass er die Koje hüten musste. Da außer den beiden Skippern nur ich einige Segelerfahrung hatte, und mich auf der Hinreise intensiv mit der Navigation befasst hatte und die Rückreise drängte, beschlossen die Eigner dass mein Skipper auf die größere "Seekuh" umsteigt und ich den "Seehund" zurück segeln sollte. Da die "Seekuh" ein Crewmitglied mehr an Bord hatte wurde mir einer der unerfahrenen Mitsegler für den "Seehund" zugeteilt. Die Rückreise konnte beginnen. Zum Ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich verantwortlich, ein Schiff über See zu führen. Beide Schiffe fuhren zwar in Sichtweite, waren jedoch auf sich gestellt, da es noch keinen Funk auf Yachten gab. Ich führte den "Seehund" über Vlissingen, Veere bis Willemstad, dann war der Skipper der "Seekuh" wieder soweit genesen das Ruder wieder zu übernehmen und ich konnte zu meiner Erleichterung wieder von meinem Skipper abgelöst werden. Nachdem beide Boote im Schlepp der zu Berg fahrenden Schleppzüge, nach einer Woche den Paradieshafen erreichten, konnte ich mein Maurerpraktikum fortsetzen und dann mein Studium beginnen.


Die Seekuh wanderte zum DYC ab und segelte später nach Amerika, wofür 1965 Wolfram Aurin den berühmten "Schlimmbachpreis" bekam. Der "Seehund" blieb in Lörick, Otto Siemes von der DLRG kaufte den "Seehund" und baute das Boot zum Segelkutter und Motorsegler mit erhöhtem Deckshaus um. 1972 erwarben dann Herbert und Hannelore Winkler den "Seehund" Herbert berichtet über die Erlebnisse mit seinem
"Seehund":


Erste Ausfahrt auf dem Rhein, ich wollte die Segeleigenschaften ausprobieren! Mit alten Segeln, noch aus Leinen, die eher einer Autoplane ähnelten, ging ich auf den Strom. Trotzdem war ich über die Segeleigenschaften, besonders aber über das Wendemanöver angenehm überrascht, ich war glücklich! Als ich zurück in den Paradieshafen fuhr, wurde ich von meinen YCL-Freunden an die Anlegerpritsche, heute Kommunikationsplattform, zitiert, wo mir kurzerhand 2 Segelsäcke mit Vorsegel und Groß zum Aussuchen aufs Vordeck geworfen wurden. Im Juli 1974 starteten wir unseren ersten Törn mit unseren jüngsten Kindern Andreas und Olaf. Die Tour war sehr abenteuerlich, denn immerhin fuhren wir die Ijssel und mussten den Mast legen. Dann ging's durch Veluwemeer über Harderwijk und Muiden übers Markermeer bis ins Ijsselmeer, weiter nach Horn und Enkhuizen. Hier konnten wir den Bau des neuen Damms von Lelystad nach Enkhuizen beobachten. Nun ging es fast jedes Jahr zum Ijsselmeer, Friesland, die Küste hoch nach Harlingen, Terschelling usw. aber immer noch mit dem Rumpf in Original Eiche geklinkert.


1978 wollten wir wieder los, aber im CrefelderYacht-Club war die Bilge schon unter Wasser. Nun, in etwa kannten wir das schon, weil beim ersten Törn die oberen Planken immer erst Wasser ziehen mussten, quellen, und dann erst dicht wurden. Diesmal war es aber viel mehr Wassereinbruch. Wir lenzten, in der Hoffnung, dass es schon am anderen Morgen trocken sein möge. In der Früh wurden wir von einem nassen Teppich eines besseren belehrt. Wieder gelenzt, dann Maschine an und schnell zurück zum Düsseldorfer Yachthafen, die uns auch sofort ausgeslipt haben. Zwei Eisplanken am Bug standen ca. 0,5 bis 1 cm vom Steven ab. Die Reparatur mit Bitumen und Planken wieder angeschraubt und mit Kupferblech beplankt, war recht schnell erledigt. Anschließend Urlaub im Paradieshafen mit Segeltörns auf dem Rhein. Es hat prima gehalten. Auf der BOOT 1979 war auf dem Messestand von Vosschemie an einem geklinkerten Holzmodell dargestellt, wie man einen solchen Rumpf laminiert. Kurz und gut, es wurde alles Nötige besprochen was für die Laminierung von Seehund nötig war. Ein Stellplatz im Volmerswerther-Hafen wurde gefunden und dann ging es los. Im Herbst 1979 wurde ausgekrant und im Sommer 1980 war der Seehund mit strahlend weißem Rumpf fertig (ich auch). Alle Arbeiten wurden nur von mir, meinem Sohn Andreas und natürlich von Hannelore ausgeführt.

  

Später ging es dann nach Seeland zum Grevelingen- meer, Ooster- und Westerschelde. Bis zum Jahr 2019 blieb der "Seehund" ein geschätztes Familienmitglied der Winklers. Doch in den letzten Jahren konnte Herbert aus Gesundheitlichen- und Altersgründen nur noch mit Mühe und später gar nicht mehr zum Schiff, der "Seehund" wurde nur noch notdürftig gepflegt und zieht jetzt zunehmend Wasser. Die Persenning, die jeden Winter die kalte Witterung abhält, schützt Rumpf und Deck. Doch ein altes Boot benötigt viel Pflege, so war die Vernachlässigung mit jedem Jahr mehr zu sehen. Schweren Herzens beschloss die Familie (alle außer Herbert) nach 48 Jahren den "Seehund" abzugeben! Doch es musste jemand gefunden werden, der das Boot mit dem gleichen Herzblut und ebenso viel Liebe erneut auf Vordermann bringt. Der "Seehund" stand zum Verkauf, in der Hoffnung er möge weiterhin im Paradieshafen bleiben. Ende 2019 hat sich ein neuer Eigner gefunden.

 

Miguel von Marenholtz hat den "Seehund" übernommen und nach einigem Warten auf den passenden Wasserstand wurde der "Seehund" erneut im Düsseldorfer Seglerverein an Land geholt. Nun steht er dort fast an der gleichen Stelle wie damals und wird erneut komplett überholt.


Dies ist wiederein großes Familienprojekt und wir wünschen gutes Gelingen! Wir hoffen, dass der "Seehund" auch den neuen Eignern viel Freude bereitet, als Oldtimer ist er ein viel beachtetes außergewöhnliches Schiff mit einer großartigen Geschichte. Wir wünschen dem "Seehund" immer eine Handbreit Wasser unter'm Kiel.