Von Gedser  bis zum Leuchtturm Staberhuk, auf der südöstlichen Spitze von Fehmarn, sind es gerade einmal 25 sm, gemessen an einigen Etmalen auf unserem Törn ein Katzensprung. Allerdings verspricht die Vorhersage wenig Wind und so ist ein Kanister Flüssigwind erforderlich. Mit dem Rüttelschlauch ist das Umfüllen eigentlich kein Problem. Dieses Mal rüttele ich mir jedoch einen Krampf, ohne dass es funktioniert. Kann ja auch nicht, wenn das Rüttelventil verschwunden ist! Also bleibt mir nichts anderes als den Schlauch mit dem Mund anzusaugen.

Es wird ja behauptet, in Cadbury Schokolade sei ein Hauch Petroleum gewesen, um den unverwechselbar leckeren Geschmack zu erreichen. Ich kann nur feststellen, Diesel lässt sich auch mit Schokolade nur unzureichend in ein kulinarisches Erlebnis verwandeln. Immerhin ist der Tank jetzt halb voll und wir können ablegen. 

Unerwartet kommt ein leichter Luftzug aus Südwest auf, aber das reicht weder um Fehmarn anzuliegen, noch um Troll in der alten Welle in Fahrt zu versetzen. Also lassen wir Rudolf (Diesel) mitspielen, zumal wir den Fehmarnbelt mit vielen großen Frachtern teilen müssen. Gegen Mittag dreht der Wind auf Süd und legt auf 3 Bft zu, so dass wir mit 5 kn nach Großenbrode segeln können. 

Großenbrode überrascht uns mit den gepflegten  Häfen der Yachtwerft Klemens - "Charteryachten bitte im Westhafen anlegen" -, der neuen, geschmackvollen Uferpromenade und einem Italienischen Restaurant mit Livemusik von Friedrich Jr. Sein Song "Kapitän" ist wie für uns gemacht und trifft unsere Stimmung, jetzt gegen Ende der Reise.

Heute hier statt allein,  zusammen sein

bisschchen Bier, bisschchen Wein und beieinander sein

es ist schön 

mit dir zusammen zu sein.

...

Zeig mir an, die Zeit bleibt stehn!

Sei in der Nacht mein Kapitän.

Wir sind zusammen auf hoher See. 

Lass auch mich nicht untergehn.

 

Zum Abschluss fehlt jetzt noch eine Runde Riesenrad. Jedoch man kann nur bar bezahlen und die Euros  liegen an Bord. Willkommen in Deutschland! Wir bleiben am Boden und himmeln das Riesenrad über uns an. In all den Wochen in Schweden, Estland und Lettland haben wir kein Bargeld mehr angefasst. Dort musste man sogar Briefmarken, Postkarten und Brötchen mit Karte bezahlen. Hier gilt noch: "Nur Bares ist Wahres". 

Der letzte Tag auf See beschenkt uns mit einem perfekten Blisterwind. Beim Einlaufen in Travemünde, direkt vor dem legendären Großsegler PASSAT springt unsere Logge auf 2000 sm, die TROLL seit Beginn der Reise in Kampen zurückgelegt hat. Unglaublich aber wahr. So etwas kann man nicht planen.   

In Travemünde treffen wir THALIA, die unserem langjährigen Segelfreund Manfred gehört.  Beim Austausch all der Erlebnisse und Neuigkeiten wird es spät. 

Tags darauf, am Dienstag, besuchen uns Freunde aus Schwerin.

Travemünde und auch Lübeck, etwas die Trave aufwärts, werden täglich von mehreren großen Fähren angelaufen, die im Format irgendwie nicht so richtig zur engen Trave passen wollen. Sie kommen ganz dicht vorbei.

(hier allerdings am Kai vertäut :-)

Kurz vor Lübeck versperrt die Eric Warberg Brücke die Trave. Nächste Öffnung 17:30. Wir haben schon alles zum Legen des Mastes vorbereitet und ehe die anden, wartenden Yachties sich versehen, liegt unser Mast und wir fahren unter der Brücke durch weiter zur Newport Marina. Schnell holen wir dort den Mast nach vorn und verpacken alles reisefertig. Wir sind fast fertig als die anderen Yachten eintreffen.

Wir spazieren durch die Stadt und erfreuen uns an den alten Gebäuden aus der Hochzeit der Hanse, wie dem Haus der Schiffergilde, mit der Inschrift:  "Du bist der Mann Herr Jesu Christ, dem Wind und Meer gehorsam ist ...".

Ja, auf See sind es Wind und Wellen , die den Schiffern zu schaffen machen. Anders im Binnenland: Hier sind es die Wasserstände, Schleusen und Brücken, wobei letztere in der Hand des Wasser- und Schiffahrtsamtes liegen. Dazu schweigt die Bibel.

Am Hafen in Lübeck steht die alte Drehbrücke zur "Engelsgrube". Ihre schwarze Signalanlage ist ausgeschaltet. Normalerweise zeigen zwei rote Lichter nebeneinander, dass die Einfahrt momentan gesperrt ist, aber noch  Hoffnung besteht. Kommt ein weißes Licht dazu zu, so wird die Öffnung gerade vorbereitet und es kann sich nur noch um Minuten handeln Bei zwei roten Lichtern übereinander ist es hat man schlechte Karten, denn die Schließung dauert längere Zeit. 

Und genau das zeigt die Schleuse Büssau auf dem Elbe-Lübeck-Kanal, als wir am Nachmittag des Donnerstag dort ankommen. Auf ELWIS hatte davon nichts gestanden. Ein Schleusenwärter ist krank  geworden und nun ist der Kanal für den Rest des Tages geschlossen. Morgen früh um 6:00 geht der Betrieb weiter, wenn nicht wieder jemand ausfällt. 

6:15 Uhr: Wir werden vom Schraubengeräusch eines vorbeifahrenden Bootes geweckt. Vorbeifahrend? Sweatshirt über-, Motor an-, Leinen los-werfen sind eins und schon liegen wir in der Schleuse. Es herrscht pottendicker Nebel, Aber man kann immerhin die Ufer sehen. 

Die Schleusen im Elbe-Lübeck Kanal sind schon über 120 Jahre alt und funktionieren heute wie damals nach dem Hotopp-Prinzip, ganz ohne Elektrizität, lediglich durch Ausnutzen der Wasserstandsdifferenz. In Witzeeze gibt es einen kleinen Aufenthalt und der Schleusenwärter erklärt, er müsse Waser sparen und warten, bei eine größere Gruppe zusammen ist. Das Schiffshebewerk in Lüneburg, an Eingang zum Elbe Seiten Kanal kennt solche Probleme nicht. Als wir über UKW anfragen, werden wir direkt mit einem Schubleichter um 38 m nach oben gehoben. Das Ganze dauert nur 15 Minuten.

Bei der Schleuse Uelzen mit einem Hub von 23 m hat man das Wasserpoblem durch Sparbecken gelöst.  Wir sind ganz alleine in der 190 m langen Schleusenkammer. 

Am Samstag Abend, 27.August,  erreichen wir den Yachtclub Hoffmannstadt Fallersleben e.V. Hoffmann von Fallersleben, war das nicht der mit dem Deutschlandlied, das er auf Helgoland gedichtet hat? In Fallersleben soll es im Schloss ein Museum geben, das sich seinem Leben widmet.

Wir beschließen spontan am Sonntag ein Kulturprogramm einzuschieben. Die Räder sind schnell aufgeklappt und  es sind nur 5 km. Der Ausflug lohnt sich, August Heinrich Hoffmann  war ein deutscher Hochschullehrer Anfang des 19. Jahrunderts und Zeitgenosse der Gebrüder Grimm. Er trug wesentlich zur Etablierung der Germanistik als wissenschaftliche Disziplin bei. Bekannt ist er auch durch seine Sammlung von Volks- und populären Kinderliedern, z.B."Summ Summ Summ, Bienchen Summ herum". 1841 erschien seine Gedichtsammlung "unpolitischer Lieder" die keineswegs so unpolitisch waren. Wegen seines Eintretens für ein einheitliches Deutschland und seiner liberalen Haltung, wurde Hoffmann 1842 von der preußischen Regierung pensionslos seiner Professur enthoben. Ein Jahr später entzog man ihm die preußische Staatsbürgerschaft und verwies ihn des Landes. Das Museum ist interessant und anschaulich. 

Zurück an Bord, beschließen wir nioch einige Stunden weiter zu fahren. Als Ziel bietet sich der Yachthafen Heidanger im Stichkanal nach Salzgitter an.Wir sind sehr positiv überrascht, als wir durch die enge Brücke in den Hafen einfahren:

Ein tropischer Garten mit Palmen und einem sehr guten Restaurant. So kommen wir völlig ungeplant zu einem außergewöhnlichen Abendessen.

Jetzt noch einige Tage Kanalfahrt, bevor wir wieder den Rhein erreichen und im Duisburger Innenhafen übernachten. Der Hafen ist tief genug, allerdings versperren einige Brücken die Zufahrt mit Mast. So können wir den Mast nur nach achtern verschieben und alles zum Stellen am Samstagmorgen vorbereiten.

 Im Hafenkanal legen wir an einer rostigen Schute mit Namen EDELGARD an. Die haben Sinn für Humor. Aber uns kommt sie sehr gelegen. Zwei Stunden später ist der Mast wieder gestellt, die Segel sind angeschlagen und die 7 Gastflaggen der Reise unter der Backbordsaling gesetzt.

Nach 3000 "See"-Meilen, wenn man die Rheinwoche und die Distanz auf Rhein, Ijssel und den Kanälen einschließt, also 5555 km, erreichen wir in Düsseldorf. In der Einfahrt zum DYC haben wir noch 70 cm Wasser unter dem Kiel, was dann aber zum Ende des Hafens hin abnimmt, so dass wir mit 1,40 m Tiefgang zum Stehen kommen. Wir finden eine freie Box weiter vorne, allerdings keinen Hafenmeister.  So sprechen wir auf den Anrufbeantworter. Unseren Heimanthafen Volmerswerth können wir bei Pegel 0,80 m nicht anlaufen, da fehlen 60 cm. Auch für den Napoleonshafen in Neuss, der 50 cm tiefer als der Pegel gebaggert ist, reicht es nicht ganz. Aber es soll ja in der kommenden Woche regnen. Vielleicht kommt dann ja genug Wasser?

Auf unserem Törn 2022 hatten wir phantastisches Wetter, phantastischen Wind, phantastische Erlebnisse!
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